2. Mai 2008

Böses Christival...

Vielleicht habt ihr mitgekriegt, was momentan in Bremen los ist. Vielleicht habt ihr sogar den entsprechenden Spiegel-Artikel gelesen. Hier nun mein Senf.

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Zunächst zum Artikel. Zu lesen in Ausgabe 18 unter dem schönen Titel "Aufschwung Jesu".

Eine besondere Leistung war das nicht. Da wurde einmal mehr Panik verbreitet, von gefährlichen Evangelikalen wurde gewarnt, die die Politik unterwandern wollen, sämtlichen "unchristlich denkenden" den Garaus machen wollen und gegen Muslime in einen Glaubenskampf (wenn auch nicht mit dem Schwert) ziehen.

Die Bedrohung, vor der gewarnt wird, gibt es allerdings gar nicht: Lediglich zwischen einem und drei Prozent der Deutschen sind in evangelikalen Kreisen zu finden. Der weitaus größere Teil davon wiederum (etwa 50 Prozent) gehört den evangelischen Landeskirchen an und zählt dort zu den treuesten Gottesdienstbesuchern.
In der als das Steuerorgan dieser "fundamentalistischen Revolution" beschriebenen "Evangelischen Allianz" sind unter anderem auch landeskirchliche Gemeinschaften organisiert, die keinerlei Sonderlehren für sich beanspruchen sondern sich im Rahmen der jeweiligen Landeskirche bewegen und lediglich eine engere Gemeinschaft wünschen. Oftmals besteht zwischen evangelischer Kirche und Evangelischer Allianz nicht etwa die beschriebene Konkurrenz, sondern gute Beziehungen. Eben diese konfessionsübergreifende Aktionsweise ist das Ziel der Evangelischen Allianz.

Nicht mit einem Hauch wird da erwähnt, dass für Mitglieder der christlichen Freikirchen ALLE Angehörigen christlicher Kirchen gleichberechtigte Geschwister sind. Die Freikirchen, die an diesem Punkt abweichen und somit Absolutheitsanspruch erheben, sind keine Freikirchen mehr, sondern Sekten. Um die ging es im Artikel allerdings auch gar nicht.

Weiter wurden zahlreiche Tatsachen falsch dargestellt oder Einzelmeinungen als der Normalzustand geschildert. So wurde beispielsweise auf Chuck Smith's Familien- und Erziehungsbild verwiesen, das, gelinde gesagt, ziemlich lieblos klingt. Zweifellos haben die meisten Evangelikalen zwar ein konservatives Familienbild, aber das hat normalerweise nichts mit den beschriebenen unterworfenen Ehefrauen und voller Freude körperlich gezüchtigten Kindern zu tun. Vielmehr muss sich eine Frau heutzutage schon schämen, wenn sie es wünscht, ihre Kinder zu versorgen, anstatt Karriere zu machen. Schnell wird sie dann in eine fundamentalistische oder mittelalterliche Schublade gesteckt, die so gar nicht ihre Motivation war. Nein, ganz im Gegenteil, sie wollte nur von ihrem Recht auf freie Entfaltung Gebrauch machen und sich eben als Mutter und Hausfrau voll entfalten. Freilich muss das nicht heißen, nur am Herd seine Erfüllung zu finden, und es muss auch nicht heißen, dass der Mann nur noch typische "Männeraufgaben" erledigt. Man kann durchaus auch als Hausfrau noch ein sehr spannendes, interessantes und anspruchsvolles Leben führen!!!!!!!

Weiter gehts: Entscheidet sich eine Frau aus Glaubensgründen, Kopftücher zu tragen, ist sie sogleich unter der erbarmungslosen Herrschaft der Männer. Dieses beliebte Bild musste in dem Spiegel-Artikel einmal mehr hinhalten. Ich finde es nicht gut, wenn Frauen dazu gezwungen werden, Kopftücher zu tragen. Aber ist es auch nur ein kleines Stück besser, wenn eine freiwillig kopftuchtragende Frau dafür diskriminiert wird? Trägt eine Muslima oder eine Christin Kopftuch, ist sie Opfer und Zeichen von Unterdrückung (egal ob sie dies freiwillig tut), oder gehört sogar zu ganz ganz arg bösen Fundamentalisten.
Kleine Anmerkung an dieser Stelle: Ich würde selbst aus Glaubensgründen ein Kopftuch tragen, tue es aber allein aus dem Grund nicht, dass ich dann ständig für eine Muslima gehalten werden würde. Da ich aber ja meinen christlichen Glauben bezeugen möchte, wäre das wohl ein wenig kontraproduktiv.

Des weiteren wird beschrieben, wie die Evangelikalen nicht nur ihre "Gebetshäuser", sondern auch die Politik mit ihren Werten anfüllen wollen. Was soll nun dies heißen? Naturschützer, Emanzipationsbefürworter und teilweise sogar nationalsozialistische Parteien dürfen in die Politik, nur keine evangelikalen Christen? Wären die Evangelikalen so, wie in dem Artikel beschrieben, wäre dies zu verstehen, denn das würde gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen. Dies ist aber nicht der Fall. Evangelikale mögen zwar eine nicht besonders beliebte Meinung im Bezug auf Homosexualität, Sex und Abtreibung haben, sie zwingen aber niemanden dazu, diese Meinung zu teilen und diffamieren solche Leute auch nicht, zumindest nicht, wenn es sich um wirklich gläubige Christen handelt. Das Wesen des Christentums (zu dem auch Evangelikale gehören!) besteht darin, dass jeder Mensch die Freiheit hat, selbst über die Führung seines Lebens zu entscheiden. Das so umstrittene Christival-Seminar für Homosexuelle (das inzwischen abgesagt wurde) war für Menschen gedacht, die persönlich wünschen, dort hin zu gehen und diese Ansichten zu hören. Niemand wäre gezwungen worden, sich auch nur das Seminar anzuhören, geschweige denn, danach zu handeln.
Dass manche Evangelikale Homosexualität als falsch empfinden, heißt außerdem keinesfalls, dass sie Homosexuelle diskriminieren. Ein Mensch kann eine Person lieben, auch wenn dieser Eigenschaften aufweist, die als falsch empfunden werden.
Hier wieder ein Beispiel: Ich habe (meines Wissens nach, man weiß ja nie ;)) zwei schwule Freunde. Ich hab diese Kerle echt fürchterlich doll lieb! Und möchte sie auch niemals missen. Trotzdem finde ich das, was sie tun, absolut nicht richtig. Das ändert aber nichts daran, wie gern ich sie hab.

"Hasse nicht den Sünder,
hasse die Sünde!"

Der Spruch sagt genau das aus, was ich meine. Auch Jesus verstieß Sünder nicht, sondern kümmerte sich um sie.

Weiter wurde beschrieben, dass in unsere säkularisierte Gesellschaft der Glaubenskampf Einzug gehalten habe. Ist unsere Gesellschaft denn wirklich so säkularisiert? Waren es nicht einst die christlichen Grundwerte, auf die unser Grundgesetz aufbaute? Hat uns diese christliche Basis denn wirklich so sehr geschadet? Und sind Politiker, die beten, wirklich so gefährlich? Man denke an Johannes Rau, der seinen Glauben bewusst lebte und aus diesem Glauben heraus unserer Gesellschaft ohne Zweifel gute Dienste erwiesen hat.
Außerdem wurde beschrieben wie immer mehr Menschen aus den Landeskirchen austreten - dafür aber immer mehr Menschen in Freikirchen organisiert sind. Hier wurde behauptet, die Freikirchen seien eine Herausforderung für die Landeskirche. Meiner Erfahrung nach treten aber die wenigsten Christen aus Landeskirchen aus, um in Freikirchen einzutreten. Die Menschen treten aus Landeskirchen aus, da sie persönlich nichts mehr mit Gott zu tun haben wollen und lieber selbst über ihr Leben bestimmen wollen. Diese Menschen (man nehme beispielsweise einige Christival-Gegner, die ihr Leben ohne Gott leben wollen und sich darum vom Christival eingeschränkt fühlen) würden sicherlich nicht einfach in eine Freikirche eintreten.
Eine weitere Fehlinformation ist, dass die Freikirchen in den Zahlen der Gottesdienstbesucher oft überlegen sind. Dies ist nur in größeren Städten der Fall, und selbst dort gibt es ebenfalls Freikirchen mit unter 50 Mitgliedern.

Unnötige Panikmache in den Medien ist ein ekelhaftes Phänomen....


Naja, was gibts noch zu sagen? Eigentlich bin ich schon auf die meisten, wenn nicht alle Vorwände gegen das Christival eingegangen. Niemand will jemanden zu etwas zwingen oder jemanden diskriminieren. Wir (ich bin zwar nicht auf dem Christival, fühle mich meinen Glaubensgeschwistern jedoch verbunden) wollen doch nur ein tolles Fest in unserem Glauben feiern. Und, liebes Bremen, darf ich dir etwas sagen?? Freu dich! Warum? Darum:

Auftrag an Christen: "Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn's ihr wohlgeht, so geht's auch euch wohl." Jeremia 29, 7

"Und wenn ihr in eine Stadt kommt und sie euch aufnehmen, dann esst, was euch vorgesetzt wird, und heilt die Kranken, die dort sind, und sagt ihnen: Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen." Lukas 10, 8+9
(Kranke heilen könnte man auch umdeuten in: Gutes tun)

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Danke für eure Aufmerksamkeit!

Und nun noch einige wirklich sehr lesenswerte Links:

Auf blaustrophobie.de

Im Himmel und Erde Blog

Im Medienmagazin "pro" (SEHR aufklärend!)



P.S.:
Zum Schluss noch ein Zitat einer Berliner Gemeinde, die sich "Berlinprojekt" nennt. In welche Schublade der Spiegelautor diese Gemeinde gesteckt hat, ist aus dem Zitat ersichtlich. Die Tatsachen, die im folgenden Zitat geschildert werden, zeigen wohl, mit welchen Methoden im Spiegelartikel gearbeitet wurde.

"Das Berlinprojekt wird im aktuellen Spiegel erwähnt, in einem Artikel von Peter Wensierski mit dem Titel: „Aufschwung Jesu“. Darin wurde unsere Kirche in Zusammenhang gebracht mit amerikanischen pro-Bush-Aktivisten, evangelikalen Fundamentalisten und Christen, die angeblich gegen Homosexuelle wettern. Ich bedauere diese Berichterstattung insofern, als dass wir uns nicht als “evangelikale” Kirche bezeichnet haben, in unserer Gemeinde – typisch für Mitte - kaum Bush-Verehrer zu finden sein werden und unter unseren Gottesdienstbesuchern in puncto sexuelle Orientierung und Lebensstil unterschiedliche Haltungen vertreten sind.
Unübersehbar ist jedoch der von Wensierski ausgemachte Trend zu einem neuen „Interesse an Glauben“. Wir erleben ebenso wie die benachbarte evangelische Gethsemanekirche und katholische Herz-Jesu-Kirche, dass viele Leute den Kern des christlichen Glaubens neu entdecken und erfahren wollen (Tip 25/2007 "Sehnsucht nach Gott"). Und genau darin sehen wir unser Anliegen und unsere Möglichkeit.

Viele Grüße und eine gute Woche, Christian Nowatzky, Pastor"


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EDIT:
Zum Nachdenken: Einzelne Demonstranten stürmten das Messegelände und warfen Feuerwerkskörper.
Jetzt das Neueste: Die Homepage vom Christival und der CINA wurden gehackt und zerstört.

Was soll das??? Das ist nun wirklich keine konstruktive Diskussion mehr...